Schulheim Aarwangen (vormals Knabenerziehungsanstalt Aarwangen): Johannisbeerernte, 1970
Dr. Thomas Huonker
Telefon 078 658 04 31
E-Mail thomas.huonker@sunrise.ch
Postadresse
Ährenweg 1
CH-8050 Zürich
'Kinderheime in der Schweiz' wird von der
Guido-Fluri-Stiftung getragen.
Periodisch nimmt die schweizerische Öffentlichkeit Kenntnis von
schwerwiegenden Missständen, Missbräuchen und Übergriffen im
Sozialbereich. Häufig sind Kinder die Hauptbetroffenen. Gerade
Waisenhäuser, Kinderheime und Erziehungsanstalten der Schweiz waren
immer wieder mit Geschichten von demütigenden Misshandlungen und
brutalen Übergriffen verknüpft. Es ist wichtig, solche von Mauern des
Verschweigens verdeckte Vorgänge in die gesellschaftliche Wahrnehmung zu
rücken, um auf Verbesserungen hinzuarbeiten.
Einige Meilensteine zur Aufarbeitung dieser düsteren Seiten der Schweizer Geschichte sind seit der Lancierung dieses Projekts (2010) zustande gekommen, so eine Unabhängige Expertenkommission zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der administrativen Versorgung, weitere Forschungsprojekte wie das NFP "Fürsorge und Zwang - Geschichte, Gegenwart, Zukunft", Zahlungen an die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen.
Anerkennung des Unrechts, Solidaritätsbeitrag für Opfer:
Die
offizielle zentrale staatliche Anlaufstelle für Opfer von
fürsorgerischen Zwangsmassnahmen wie Fremdplatzierung von Kindern,
administrative Internierung, Zwangssterilisation oder Zwangskastration
(in der Zeit vor 1981) war bis zum Ende des Runden Tischs für die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen am 8. Februar 2018 der Delegierte für die
Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen, Prof. Dr. Luzius Mader, tätig im Bundesamt
für Justiz, Bundesrain 20, 3003 Bern, sowie die von ihm präsidierte
Kommission
Dort finden Sie das Gesuchsformular und die Wegleitung für den Solidaritätsbeitrag für Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen (ehemalige Verdingkinder, Heimkinder, Mütter, denen Kinder zur Adoption weggenommen wurden, Zwangsadoptierte, Zwangssterilisierte, Opfer sexueller Missbräuche in Instititutionen), sofern diese Zwangsmassnahmen vor 1981 stattfanden oder begannen. Der Solidaritätsbeitrag soll nach den Beschlüssen des schweizerischen Parlaments maximal 25'000 Franken betragen, es sind 300 Millionen Franken dafür reserviert, die Anmeldefrist läuft bis Ende März 2018, alsdann sollen die Auszahlungen erfolgen, mit Priorität für sehr alte und kranke Opfer, ansonsten in der Reihenfolge der Anmeldungen.
Sie können sich auch über die kantonalen Anlaufstellen anmelden:
https://www.bj.admin.ch/bj/de/home/gesellschaft/fszm/anlaufstellen.html
Medienmitteilung des Bundesrats vom 15. Februar 2017:
Die Referendumsfrist gegen das Gesetz zur Aufarbeitung der
fürsorgerischen Zwangsmassnahmen vor 1981 ist abgelaufen, es tritt somit
in Kraft. Es wurden bisher 1150 Gesuche von Opfern solcher
Zwangsmassnahmen (wie Fremdplatzierungen, Anstaltsinternierungen,
Sterilisierungen etc.) eingereicht. Die meisten Opfer sind inzwischen
verstorben. Die Anmeldefrist läuft bis 31. März 2018.
Melden sich mehr als 12'000 Opfer an, wird der Beitrag pro Person unter 25'000 Franken sinken.
Reichen weniger als 12'000 überlebende Opfer ihre Gesuche
ein, ist es wegen der vom Parlament ins Gesetz eingebrachten Obergrenze
von 25'000.- Franken pro Opfer fraglich, ob nicht sogar das reduzierte
Kostendach von 300 Millionen Fr. (gegenüber 500 Millionen Fr. laut
Initiative) unterschritten wird.
Es wird dann an den politischen
Instanzen liegen, über die Bücher zu gehen und diese Obergrenze zu
revidieren. Sonst wird selbst die reduzierte Summe von 300 Millionen
(gegenüber den 500 Millionen laut Initiative) zu einer Fiktion.
Die Medienmitteilung des Bundesamts für Justiz
(6. Juli 2017) zu Anzahl und Auszahlungsfristen der Gesuche von Opfern
fürsorgerischerischer Zwangsmassnahmen für einen Solidaritätsbeitrag meldete den Eingang von 2562 Gesuchen.
Siehe dazu auch die Medienmitteilung
des Vereins Fremdplatziert (5. Juli 2017): Nochmals sparen an den ehemaligen Heim- und
Verdingkindern? Die gesamte Summe von 300 Millionen für die Opfer
fürsorgerischer Zwangsmassnahmen soll ausbezahlt werden! (PDF)
Am 2. Oktober 2017 meldete das Bundesamt für Justiz in einer weiteren Medienmitteilung 3352 Gesuche.
Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass - falls die Obergrenze nicht aufgehoben wird - nur ein Bruchteil der angekündigten Gesamtsumme ausbezahlt wird und einmal mehr an den Betroffenen, von denen viele in Armut leben, gespart wird.
Die ersten der Auszahlungen an alle noch lebenden Opfer erfolgen nun ab Januar 2018; vorgezogen werden die Zahlungen an die sehr betagten und kranken Opfer. Siehe
Medienmitteilung des Bundesamts für Justiz, 21.12.2017
Solidaritätsbeiträge - Erste Auszahlungen (PDF)
Medienmitteilung des Bundesamts für Justiz, 8.2.2018 (PDF): Ende des Runden Tischs, Ende der Funktion eines Delegierten für die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen, 5912 Gesuche gingen bisher ein.
Historischer Überblick
Das unmenschliche Verdingkindersystem, das schon Jeremias Gotthelf Im Jahr 1837 anprangerte, hielt sich bis in die 1970er Jahre, während die Kinderarbeit in schweizerischen Fabriken 1877 verboten wurde.
Bis in die 1930er Jahre mussten kleine Spazzacamini aus dem Tessin und anderen Alpentälern als Kindersklaven zur Reinigung von Kaminen in Oberitalien und Frankreich arbeiten.
Ein Grossteil der Kinder aus der Minderheit der Jenischen wurden von 1926 bis 1973 vom so genannten "Hilfswerk für die Kinder der Landstrasse" der Pro Juventute systematisch und gewaltsam aus ihren Familien gerissen. Sie wurden isoliert in Heimen, als Verdingkinder oder als Adoptivkinder fremdplatziert, um sie ihrer Herkunftskultur zu entfremden. Mitbeteiligt an dieser Aktion waren auch der Kanton Schwyz und die Seraphischen Liebeswerke Solothurn, Zug, Luzern und Graubünden.
Wegen Verhaltensweisen, die heute gesellschaftlich akzeptiert sind, wie Schminken, nächtlicher Ausgang in Tanzlokale oder frühe Freundschaften, wurden bis zur Aufhebung der menschenrechtswidrigen Gesetze zur administrativen Versorgung im Jahr 1981 viele Jugendliche ohne Gerichtsurteil jahrelang in Strafanstalten gesperrt, beispielsweise ins Frauenzuchthaus Hindelbank, aber auch in viele andere Strafanstalten und Zwangsarbeitsanstalten wie Bellechasse, Witzwil, St. Johannsen, Schachen Deitingen, Kappel, Rossau, Kaltbach, Bitzi, Kalchrain, Kreckelhof, Realta usw.. Dort waren auch viele Erwachsene administrativ interniert. Alle administrativ Internierten und die meisten Verding- und Heimkinder mussten unter Zwang und Schikanen ohne Lohn harte Arbeit leisten. Oft litten die Gesundheit und die Ausbildung der Betroffenen darunter. Administrativhaft wird in der Schweiz nach wie vor durchgeführt, und zwar gegen Ausländer, denen kein Aufenthaltsrecht in der Schweiz zugebilligt wird; sie können bis zu 18 Monaten in Haft genommen werden, sollten aber in weniger streng geführten Gefängnissen inhaftiert werden als Strafgefangene, was kantonal unterschiedlich gehandhabt wird. (Siehe dazu die Website der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter, Rubrik Ausländerrechtliche Administrativhaft). Von der ausländerrechtlichen Administrativhaft sind auch Jugendliche ab 15 Jahren und junge Erwachsene betroffen.
Für einige dieser zerstörerischen Machtmissbräuche durch unkontrollierte, institutionell gedeckte Täter und Täterinnen haben sich Nachfolger oder Nachfolgerinnen der früher für diese Bereiche Zuständigen bei den Geschädigten entschuldigt.
Bundespräsident Alphons Egli entschuldigte sich am 3. Juni 1986 gegenüber den jenischen "Kindern der Landstrasse", die ab 1988 geringfügige Summen als "Wiedergutmachung" erhielten.
Die Zürcher Stadträtin Monika Stocker entschuldigte sich am 12. März 2002 bei den Opfern von Zwangsmassnahmen, beispelsweise Zwangssterilisationen, Anstaltseinweisungen und Kindswegnahmen, welche die Stadtzürcher Vormundschaftsbehörde in früheren Jahrzehnten durchgesetzt hatte.
Am 10. September 2010 entschuldigte sich Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf zusammen mit kantonalen Zuständigen in Hindelbank bei den dorthin administrativ Eingewiesenen. Am 11. April 2013 entschuldigten sich Bundesrätin Simonetta Sommaruga, Bischof Markus Büchel als Vertreter der Landeskirchen, der Präsident des Bauernverbands sowie Vertreter der Kantone, Gemeinden und Heimverbände bei Opfern fürsorgerischer Zwangsmassnahmen vor 1981.
Im weiteren hat der im Januar 2013 ernannte bundesrätliche Delegierte für die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen Hansruedi Stadler zu einem Runden Tisch eingeladen, um die Fragen um Anlaufstellen, Aktensicherung und Aktenzugang, landesweit finanzierte historische Aufarbeitung und einheitliche finanzielle Entschädigungsregelung zu klären. Die erste Sitzung des Runden Tischs, der paritätisch aus 22 Personen zusammengesetzt ist, welche zur Hälfte die ehemaligen Täterorganisationen, zur anderen Hälfte die Opferseite vertreten, ergänzt durch wissenschaftliche ExpertINNen, fand am 13. Juni 2013 im Kursaal Bern statt. Die Anträge der Organisationen der Opferseite wurden entgegengenommen. Eine Studie zum Vergleich des Vorgehens anderer Länder wurde in Auftrag gegeben, die Schweizerische Gesellschaft für Geschichte wurde mit der Ausarbeitung eines Konzepts zur historischen Aufarbeitung beauftragt.
An der 2. Sitzung des Runden Tischs vom 25. Oktober 2013 gab der Delegierte Hansruedi Stadler seinen Rücktritt bekannt, sein Nachfolger ist
Luzius Mader, stellvertrender Direktor des Bundesamts für Justiz.
Eine finanzielle Soforthilfe für bedürftige Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen vor 1981wurde auf Gesuch an einen Ausschuss des Runden Tischs hin ausbezahlt. Die näheren Angaben dazu finden Sie auf www.fuersorgerischezwangsmassnahmen.ch
Die Gesuche wurden ab Juni 2014 behandelt und Zahlungen zwischen 4000.- und 12000 Franken wurden ab September 2014 ausbezahlt, die Eingabefrist lief am 30. Juni 2015 ab.
Weiter
finden sie dort den Bericht des Runden Tischs für die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen vom 1. Juli 2014 mit
Hintergrundinformationen, Testimonials von Betroffenen und einem
Überblick über bereits getroffene sowie vorgeschlagene Massnahmen zur
Aufarbeitung dieser Thematik, welche auch Zwangssterilisationen,
Zwangsadoptionen, Fremdplatzierungen und Medikamentenversuche umfasst.
Insbesondere schlägt der Bericht die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für einen Solidaritätsfonds zur Auszahlung substantieller finanzieller Abgeltungen des erlittenen Unrechts an alle Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen oder Fremdplatzierungen vor 1981 vor, nicht nur, wie der bestehende Soforthilfefonds, an heute noch in finanzieller Notlage lebende Betroffene.
Einen entsprechenden Gesetzesentwurf hat das EJPD nach einer Vernehmlassung als Gegenvorschlag zu der von Guido Fluri und einem überparteilichen Komitee getragenen Wiedergutmachungsinitiative (siehe weiter unten) am 4. Dezember 2015 dem Parlament beantragt.
Betroffene können sich auch persönlich
bei den kantonalen
Opferhilfestellen oder beim Delegierten für die Opfer von
fürsorgerischen Zwangsmassnahmen, Luzius Mader, Bundesamt für
Justiz, Bundesrain 20, 3003 Bern melden, schriftlich, per Telefon oder via
www.füersorgerischezwangsmassnahmen.ch
Rehabilitation der Administrativ Internierten
Am 10. März 2014 stimmte auch der Ständerat zu, hier das Protokoll.
Das Gesetz wurde am 1. August 2014 in Kraft gesetzt.
Am 5. November 2014 ernannte der Bundesrat eine Unabhängige Expertenkommission zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der administrativen Versorgungen vor 1981, siehe Medienmitteilung.
Medienmitteilung des Bundesrats vom 5. November 2014 (D)
Medienmitteilung des Bundesrats vom 5. November 2014 (F)
Medienmitteilung des Bundesrats vom 5. November 2014 (I)
Hier gehts zur Website der UEK administrative Versorgung.
Volksinitiative zur Wiedergutmachung
Die
Guido Fluri-Stiftung hatte am 10. Juli 2012 angekündigt, falls die
ehemalige Täterseite, insbesondere auch die staatlichen Institutionen,
welche Zwangsmassnahmen verfügten, bis Frühjahr 2014 keine angemessene
Aufarbeitungs- und Entschädigungsregelung vorlegen könne, starte sie
eine Volksinitiative mit diesem Ziel.
Die von der Guido Fluri-Stiftung getragene Volksinitiative ist am 31. März 2014 lanciert worden.
Sie verlangt die Einrichtung eines Fonds von 500 Millionen Franken zur
Auszahlung von Abgeltungen an schwer Betroffene sowie eine breite
wissenschaftliche Aufarbeitung.
13. Januar 2015: Mit 108'709 Unterschriften: Wiedergutmachungs-Initiative in Rekordzeit zustande gekommen!
Mitteilung der Bundeskanzlei, Bern, 13. Januar 2014 (PDF)
14. Januar 2015: Am Tag darauf beschliesst der
Bundesrat einen indirekten Gegenvorschlag zur Wiedergutmachungsinitiative, jedoch mit einer im Vergleich zur Initiative niedrigeren Abgeltungssumme von 250-300 Millionen Franken
Medienmitteilung des Bundesrats, Bern, 14. Januar 2015 (PDF)
Die Referendumsfrist gegen das Gesetz zur Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen vor 1981 ist abgelaufen, es tritt somit in Kraft. Es wurden bisher 1150 Gesuche von Opfern solcher Zwangsmassnahmen (wie Fremdplatzierungen, Anstaltsinternierungen, Sterilisierungen etc.) eingereicht. Die meisten Opfer sind inzwischen verstorben. Die Anmeldefrist läuft bis 31. März 2018.
Infos zur Anmeldung hier: www.fszm.ch
Melden sich mehr als 12'000 Opfer an, wird der Beitrag pro Person unter 25'000 Franken sinken.
Reichen weniger als 12'000 überlebende Opfer ihre Gesuche
ein, ist es wegen der vom Parlament ins Gesetz eingebrachten Obergrenze
von 25'000.- Franken pro Opfer fraglich, ob nicht sogar das reduzierte
Kostendach von 300 Millionen Fr. (gegenüber 500 Millionen Fr. laut
Initiative) unterschritten wird.
Es wird dann an den politischen
Instanzen liegen, über die Bücher zu gehe und diese Obergrenze zu
revidieren. Sonst wird selbst die reduzierte Summe von 300 Millionen
(gegenüber den 500 Millionen laut Initiative) zu einer Fiktion.
Am 1. Juni 2013 wurde die erste nationale Gedenkstätte zur Geschichte der Heim- und Verdingkinder im ehemaligen Kinderheim Mümliswil, eingerichtet von der Guido Fluri-Stiftung, feierlich eingeweiht. Näheres zu Betrieb, Anmeldung und Geschichte dieser Institution in der Navigationsliste links ganz oben.
Am 6. September 2013 erhielten vier Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen den Prix Courage des Schweizerischen Beobachters. Ursula Biondi wurde mit 16 Jahren ins Zuchthaus Hindelbank gesperrt, nur weil sie schwanger war, und mit der Wegnahme des Kindes bedroht. Jean-Louis Claude wuchs als Heim- und Verdingkind auf und wurde mehrfach sexuell missbraucht. Bernadette Gächter wurde mit 17 Jahren Opfer von Zwangsabtreibung und Zwangssterilisation, weil Psychiater sie für abnormal und "erblich belastet" befanden. Walter Emmisberger, im Gefängnis geboren, wuchs in Heimen, als Pflegekind in einem Pfarrhaus, wo ihn der Hausherr missbrauchte, sowie als Verdingkind auf. Sie alle wehren sich seit Jahren - Bernadette Gächter seit 30 Jahren! - für die Aufarbeitung und Entschädigung des Unrechts, das neben ihnen auch unzählige weitere Betroffene ähnlich erlitten. Mit ihrem mutigen Hervortreten an die Öffentlichkeit machten sie auch anderen Mut und standen für jene ein, die nie oder lange nicht die Kraft hatten, sich zu wehren.
Einzelne Projekte zur Aufarbeitung liegen vor - landesweite Finanzierung, Sicherung des Aktenzugangs und Koordination werden an die Hand genommen
Nach Forschungsprojekten zur Verfolgung der Jenischen sowie zur Vormundschafts- und Psychiatriegeschichte haben der Nationalfonds und der Kanton Bern Projekte zur Geschichte der Verdingkinder bewilligt, andere Kantone zeigten ihre Bereitschaft zur Mitwirkung.
Die Luzerner Regierung hat sich für die Gewalt und die Missbräuche in Luzerner Kinderheimen wie dem von Rathausen oder in Erziehungsanstalten wie Sonnenberg (Kriens) oder St. Georg (Knutwil) entschuldigt und die historische Aufarbeitung durch die Pädagogische Hochschule Luzern in die Wege geleitet. Hier der Schlussbericht dieser Untersuchung als PDF.
Die Berner Regierung hat sich am 15. März 2011 bei den Berner Verdingkindern entschuldigt und eine weitere Publikation zur Aufarbeitung von deren Geschichte vorgestellt. Der Staatsrat des Kantons Freiburg hat sich am 9. Juli 2012 offiziell bei den misshandelten ehemaligen Verding-, Heim- und Pflegekindern entschuldigt.
Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat sich am 22. Februar 2013 bei den administrativ Versorgten entschuldigt und empfiehlt eine historische Aufarbeitung durch eine unabhängige Kommission unter Einbezug auch der Geschichte der Verdingkinder.
Die Schwestern von Ingenbohl haben ein Gremium zur historischen Aufarbeitung der von ihnen geführten Anstalten zusammengestellt. Hier der Expertenbericht vom 23. Januar 2013, der die Hintergründe der Gewaltexzesse seitens der Täterinnen unter den Schwestern analysiert, als PDF. Der Bericht stiess aber auch auf Kritik, weil er versucht, die Glaubwürdigkeit der Aussagen ehemaliger Heimkinder zu schmälern, jedoch die Aussagen von ehemaligen Schwestern keinerlei Hinterfragungen unterzieht.
Aehnliche Aufarbeitungen zu ähnlichen Missshandlungen in Kinderheimen, die von den Schwestern von Menzingen, den Baldegger Schwestern und andern Orden, auch männlicher Kongregationen, betrieben wurden, stehen noch aus. Ebenso zu Heimen der Heilsarmee und anderer evangelikaler Gruppen.
Im Kanton Thurgau befasst sich eine Forschergruppe mit den Misshandlungen von Kindern im Klosterheim Fischingen sowie mit Experimenten zum Testen neuer Medikamente der Pharmaindustrie an Patienten, darunter auch Heimkinder, in der psychiatrischen Anstalt Münsterlingen.
Am 5. Mai 2014, Im Bibliothekssaal des aufwendig renovierten Klosters Fischingen TG, präsentierte Dr. Thomas Meier, flankiert von Roman Müggler und Werner Ibig vom Verein Kloster Fischingen, Regierungsrat Claudius Graf-Schelling, Luzius Mader, Präsident des Runden Tischs, Prior Gregor Brazerol (Fischingen) und Abt Christian Meyer (Engelberg) den von ihm sowie Martina Akermann, Sabine Jenzer und Janine Vollenweider erstellten Bericht "Kinderheim und
Sekundarschule St.Iddazell. Historische Untersuchung". Betroffene waren
nicht eingeladen worden, einige kamen aber doch. So fanden die Entschuldigungen seitens der Verantwortlichen auch Adressaten. Sie zahlen 250'000.- Franken in den Fonds Soforthilfe des Runden Tischs ein, verzichten aber nicht auf die Einrede der Verjährung in laufenden Prozessen gegen einen
noch im Kloster lebenden angeschuldigten Pater. Der Bericht bestätigt
die lange bestrittenen Vorwürfe betreffend exzessive Gewalt und sexuelle Missbräuche im
Klosterheim.
Der Kanton Glarus hat sich am 11. März 2014 offiziell bei den Opfern fürsorgerischer Zwangsmassnahmen entschuldigt und einen Bericht zu den Missständen im Kinderheim Santa Maria Diesbach GL veröffentlicht. Die Entschuldigung hier. Der Bericht hier.
Der Kanton St. Gallen präsentierte im November 2015 einen von Sybille Knecht erarbeiteten Bericht zur Geschichte der Zwangsarbeitsanstalt Bitzi bei Mosnang von 1872-1970.
Die Dokumentation und gesellschaftliche Wahrnehmung des in der Vergangenheit geschehenen Unrechts und seiner Hintergründe ist auch ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung solcher Gewalt gegen Kinder in Gegenwart und Zukunft. Deshalb startete die Guido Fluri-Stiftung dieses Projekt zur Aufarbeitung der Geschichte schweizerischer Kinderheime, das seine Arbeit am 10. November 2010 aufgenommen hat. Neben Archivstudien und Literaturrecherchen steht vor allem die Dokumentation der Stimmen von Betroffenen im Vordergrund des Projekts.
Dazu dient vor allem diese Website www.kinderheime-schweiz.ch
Das Projekt nimmt Aussagen der ehemaligen Heimkinder in Interviews und Fragebogen auf, dokumentiert selbstverfasste Dokumente und Autobiografien von Betroffenen und unterstützt sie bei der Suche nach ihren Akten.
Der Runde Tisch für die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen empfiehlt eine koordinierte nationale wissenschaftliche Aufarbeitung mit Aktenzugang und breiter
Forschungsfinanzierung durch ein Nationales Forschungsprogramm des Nationalfonds, in Koordination mit der Unabhängigen Expertenkommission zur Aufarbeitung der Geschichte der administrativen Zwangsversorgungen vor 1981. Eine solche Kommission sieht das am 1. August in Kraft gesetzte Gesetz zur Rehabiliation der ehemals Administrativ Internierten vor. Diese Unabhängige Expertenkommission ist vom Bundesrat am 5. November 2014 ernannt worden, siehe die entsprechende Medienmitteilung.
Medienmitteilung des Bundesrats vom 5. November 2014 (D)
Medienmitteilung des Bundesrats vom 5. November 2014 (F)
Medienmitteilung des Bundesrats vom 5. November 2014 (I)
Präsident der Kommission ist der Zürcher Alt-Regierungsrat Markus Notter.
Die Schweiz steht bei der Aufarbeitung der Vorgänge in Heimen und Erziehungsanstalten nicht allein in der Pflicht. Auch in Kanada, Australien, Irland, Belgien, Deutschland, Österreich, Norwegen, Schweden, Island, Holland, Belgien und in anderen Ländern zeigten und zeigen verschiedene Gremien und Projekte das Ausmass und die zerstörerischen Folgen von unkontrollierten Strukturen, Machtmissbrauch und sexuellen Übergriffen in diesem Bereich auf. Einigen der Opfergruppen wurden finanzielle Entschädigungen zugesprochen, am umfassendsten erfolgte die Aufarbeitung in Irland, dort wurden auch angemessene Entschädigungen im Gesamtbetrag von rund 1.28 Milliarden Euro vom Parlament bewilligt. Hohe Entschädigungssummen wurden auch in Norwegen ausbezahlt: bis zu 725'000 norwegische Kronen (83'000 CHF) pro Opfer. Ein rechtsvergleichendes Gutachten schildert das in anderen Ländern bereits Geleistete.
Stand der Zahlungen an Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen in der Schweiz
In der Schweiz haben - nach den Zahlungen an die verfolgten Jenischen - erst einzelne Gemeinden und Kanton, so der Kanton St. Gallen, der Kanton Waadt (Auszahlung von 37'500 Franken pro Person an bislang 3 Opfer), die Stadt Zürich und die Stadt Winterthur, erste Gesten der Wiedergutmachung an Einzelpersonen, die als Fremdplatzierte, administrativ Versorgte oder als Opfer anderer Zwangsmassnahmen geschädigt wurden, Zahlungen im Betrag von bis zu 13'000.- Franken pro Person ausbezahlt, allerdings ausschliesslich zur Finanzierung von Naturalgaben (Zahnprothesen, Pflegebetten, Ferienaufenthalte etc.). Das spiegelt erneut die Willkür des früheren Vorgehens. Erfordert ist aber eine angemessene und rechtsgleiche Entschädigungsregelung für alle Betroffenen in allen Regionen der Schweiz. Der am 13. Juni 2013 eingerichtete Runde Tisch für Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen vor 1981 beschloss an seiner zweiten Sitzung vom 25. Oktober 2013 die Ausarbeitung von Regelungen zur finanziellen Soforthilfe an bedürftige Opfer sowie für die allgemeine Abgeltung der geschädigten Opfer. Die Soforthilfe im Betrag von maximal 12'000 Franken pro geschädigte Person, sofern diese akut notleidend ist, wurde in den Jahren 2014 und 2015 ausbezahlt.
Eine Volksinitiative, getragen von der Guido Fluri-Stiftung und unterstützt von der Zeitschrift Beobachter und einem überparteilichen Komitee, fordert 500 Millionen Franken für eine Wiedergutmachung des Unrechts und historische Aufarbeitung. Sie wurde am 31. März 2014 lanciert.
Mit 108'709 Unterschriften ist die Wiedergutmachungs-Initiative in Rekordzeit zustande gekommen.
Mitteilung der Bundeskanzlei, Bern, 13. Januar 2014 (PDF)
14. Januar 2015: Am Tag darauf beschliesst der
Bundesrat einen indirekten Gegenvorschlag zur Wiedergutmachungsinitiative, jedoch mit einer im Vergleich zur Initiative niedrigeren Abgeltungssumme von 250-300 Millionen Franken
Medienmitteilung des Bundesrats, Bern, 14. Januar 2015 (PDF)
Bundesrats-Antrag vom 4. Dezember 2015 zu Solidaritätszahlungen von 300 Millionen (statt, wie von der Initiative gefordert, 500 Millionen) für die auf zwischen 10'000 und 25'000 geschätzten Zwangsmassnahmen-Opfer, die zur Zeit noch leben. Damit würde die ursprünglich angestrebte "substantielle Zahlung" an die einzelnen Opfer, je nach der Gesamtzahl der dann noch Lebenden, eventuell sogar auf blosse Fr. 15'000.- sinken. Hingegen verhindert die Festlegung einer Obergrenze von Fr. 25'000 pro OPfer, welche die parlamentarische Finanzkommission in die Vorlage einbrachte, dass der Betrag für die einzelnen Opfer erhöht würde, falls sich weniger überlebende Opfer melden können als angenommen.Die Referendumsfrist gegen das Gesetz zur Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen vor 1981 ist abgelaufen, es tritt somit in Kraft. Es wurden bisher 1150 Gesuche von Opfern solcher Zwangsmassnahmen (wie Fremdplatzierungen, Anstaltsinternierungen, Sterilisierungen etc.) eingereicht. Die meisten Opfer sind inzwischen verstorben. Die Anmeldefrist läuft bis 31. März 2018.
Infos zur Anmeldung hier: www.fszm.ch
Melden sich mehr als 12'000 Opfer an, wird der Beitrag pro Person unter 25'000 Franken sinken.
Reichen weniger als 12'000 überlebende Opfer ihre Gesuche
ein, ist es wegen der vom Parlament ins Gesetz eingebrachten Obergrenze
von 25'000.- Franken pro Opfer fraglich, ob nicht sogar das reduzierte
Kostendach von 300 Millionen Fr. (gegenüber 500 Millionen Fr. laut
Initiative) unterschritten wird.
Es wird dann an den politischen
Instanzen liegen, über die Bücher zu gehe und diese Obergrenze zu
revidieren. Sonst wird selbst die reduzierte Summe von 300 Millionen
(gegenüber den 500 Millionen laut Initiative) zu einer Fiktion.
Das sind Erfolge, aber:
Eigentlich hätten solche Entschädigungen als Teil einer kritischen Aufarbeitung unmittelbar nach 1981 erfolgen sollen, auf sofortiger gesetzlicher Grundlage mit speditiver Umsetzung, als die Menschenrechtswidrigkeit der oft von Behördenwillkür geprägten fürsorgerischen Zwangsmassnahmen erkannt und durch neue Gesetze behoben wurde. Stattdessen wurden die Opfer auf einen Jahrzehnte dauernden politischen Bittgang geschickt, sie mussten Beamte und PolitikerINNEN auf längst fällige Ideen bringen, sie mussten eine Volksinitiative zu Stande bringen. Sehr viele Geschädigte sind inzwischen verstorben und erhielten keinerlei finanzielle Kompensation ihrer Leiden von seiten der Täterschaften und ihrer Rechtsnachfolger. Viele, die auf den Rechtsstaat hofften, Klagen einreichten und versuchten, Straf- und Entschädigungsverfahren in die Wege zu leiten, scheiterten, auch wenn es sich sogar um Offizialdelikte handelte, bei denen die Rechtsinstanzen von sich aus hätten tätig werden müssen. Die meisten Täter blieben straflos.