Runder Tisch für
die Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen

Der Runde Tisch hatte den Auftrag, die umfassende Auf­arbeitung der fürsorgerischen Zwangs­massnahmen und Fremd­platzierungen vor 1981 vorzubereiten und aufzugleisen. Zusammen­gesetzt aus Betroffenen, Vertreter:­innen von Behörden sowie verschiedener Organisationen, war er von 2013 bis 2018 aktiv.

In vielen Ländern wurden Entschädigungen oder sonstige finanzielle Abgeltungen für die Leiden und Benachteiligungen ehemaliger Heim­kinder und andere Opfer fürsorgerischer Zwangs­massnahmen ausbezahlt. Die Schweiz hinkte – mit wenigen tief angesetzten Ausnahmen – lange hinterher. Diese kantonalen oder regionalen Bemühungen spiegelten die Willkür des früheren Vorgehens. Es gab keine angemessene und rechtsgleiche Entschädi­gungs­regelung für die Betroffenen in allen Regionen der Schweiz. Einen wichtigen Beitrag zur nationalen Aufarbeitung und Etablierung einer Entschädi­gungs­regelung leistete der Runde Tisch.

Der Runde Tisch: Was ist das?

Der Runde Tisch wurde 2013 von Bundesrätin Simonetta Sommaruga einberufen. Er setzte sich paritätisch aus 22 Personen zusammen: zur Hälfte waren die ehemaligen Täter­organisationen, zur anderen Hälfte die Opferseite vertreten. Ergänzend nahmen wissenschaftliche Expert:innen und Vertreter:­innen verschiedener Organisationen Einsitz. Es waren Vertreter:innen von Bund, Kantonen, Städten, Gemeinden oder auch Kirchen dabei.

Der Runde Tisch hatte den Auftrag, eine umfassende Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangs­massnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 vorzubereiten und zu koordinieren. Konkret sollten die Fragen rund um Anlaufstellen, die Akten­sicherung und den Aktenzugang, zur nationalen historischen Aufarbeitung und zur einheitlichen finanziellen Entschädigungs­regelung für die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen geklärt werden.

Der Runde Tisch wurde an seiner ersten Sitzung am 13. Juni 2013 im Kursaal in Bern gegründet. Erster Leiter war der Delegierte für Opfer von fürsorgerischen Zwangs­massnahmen, der Alt-Ständerat Hansruedi Stadler. Am 25. Oktober 2013 übernahm Luzius Mader die Funktion des Delegierten für die Opfer fürsorgerischer Zwangs­massnahmen und damit ebenfalls die Leitung des Runden Tischs. Mader war von 2012 bis 2018 stellvertretender Direktor des Bundesamtes für Justiz, im Juni 2018 ging er in Pension.

Die erste Sitzung der Runden Tischs fand im Juni 2013 statt. Im Februar 2018 fand die letzte offizielle Sitzung und im Mai 2018 schliesslich die Abschluss-Zeremonie mit Simonetta Sommaruga statt.

Erste wichtige Sitzung Juni 2013

An seiner ersten Sitzung nahm der Runde Tisch die Anträge der Opferorganisationen entgegen.

Weiter wurde eine Studie zum Vergleich des Vorgehens anderer Länder in Auftrag gegeben und die Schweizerische Gesellschaft für Geschichte erhielt den Auftrag zur Ausarbeitung eines Konzepts für die historische Aufarbeitung.

Zweite Sitzung Oktober 2013

An seiner zweiten Sitzung vom 25. Oktober 2013 beschloss der Runde Tisch die Ausarbeitung von Regelungen zur finanziellen Soforthilfe an bedürftige Opfer sowie für die allgemeine Abgeltung der geschädigten Opfer.

Die Soforthilfe im Betrag von maximal 12’000 Franken pro geschädigte Person, sofern diese akut notleidend ist, wurde in den Jahren 2014 und 2015 ausbezahlt. Die Gesuche wurden ab Juni 2014 behandelt und Zahlungen zwischen 4’00 und 12’000 Franken wurden ab September 2014 ausbezahlt. Die Eingabefrist lief am 30. Juni 2015 ab.

Bericht mit Massnahmen­vorschlägen Juni 2014

Im Juni 2014 veröffentlichte der Runde Tisch einen umfassenden Bericht. Darin sind viele Hintergrundinformationen, Testimonials von Betroffenen, eine Übersicht der bereits getroffenen Massnahmen sowie zahlreiche weitere Massnahmenvorschläge zur Aufarbeitung der Thematik enthalten. Der Bericht umfasst auch die Bereiche der Zwangs­sterilisationen, Zwangs­adoptionen, Fremdplatzierungen und Medikamentenversuche.

Der Runde Tisch schlägt darin zudem die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für einen Solidaritätsfonds zur Auszahlung substantieller finanzieller Abgeltungen des erlittenen Unrechts an alle Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen oder Fremdplatzierungen vor 1981 vor. Alle Opfer sollen Anrecht auf eine Abgeltung haben und nicht nur in finanzieller Notlage lebende Betroffene, wie es beim bestehenden Soforthilfefonds der Fall ist.

Einen entsprechenden Gesetzes­entwurf hat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) nach einer Vernehm­lassung als Gegenvorschlag zu der von Guido Fluri und einem über­parteilichen Komitee getragenen Wiedergutmachungs­initiative am 4. Dezember 2015 im Parlament beantragt.

Der Runde Tisch empfiehlt ebenfalls eine koordinierte nationale wissenschaftliche Aufarbeitung mit Aktenzugang und breiter Forschungsfinanzierung durch ein Nationales Forschungs­programm des Nationalfonds, in Koordination mit der unabhängigen Experten­kommission zur Aufarbeitung der Geschichte der administrativen Zwangs­versorgungen vor 1981.

Eine solche unabhängige Experten­kommission sieht das am 1. August 2014 in Kraft gesetzte Gesetz zur Rehabilitation der ehemals Administrativ Internierten vor. Diese Unabhängige Expertenkommission ist vom Bundesrat am 5. November 2014 ernannt worden. Präsident der Kommission war der Zürcher Alt-Regierungsrat Markus Notter.

Letzte Sitzung des Runden Tischs im Februar 2018

Am 8. Februar 2018 fand die letzte Sitzung des Runden Tischs statt, denn seine Aufgaben waren erfüllt.

Der Runde Tisch unterstützte beim Aufbau von kantonalen Anlauf­stellen, formulierte Empfehlungen für die Aktensicherung und den Aktenzugang und schuf einen Soforthilfefonds für Härtefälle. In seinem Bericht vom Juni 2014 setzte sich der Runde Tisch für Zahlungen zuhanden der Opfer, die umfassende Akteneinsicht oder auch eine fundierte wissen­schaftliche Aufarbeitung ein.

Schliesslich begleitete er den Entscheidungsprozess im Parlament sowie die Umsetzung des Bundesgesetzes über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981. Das Gesetz trat am 1. April 2017 in Kraft und im Bundesamt für Justiz gibt es einen Fachbereich, der die Gesuche für die Solidaritätsbeiträge koordiniert. Die Unabhängige Expertenkommission veröffentlichte 2019 ihren Abschlussbericht.

Am 17. Mai 2018 würdigte Bundesrätin Simonetta Sommaruga die Arbeit des Runden Tisches an einem Abschlusstreffen persönlich.

Weiter zu den vollständigen Protokollen auf der Webseite des Runden Tisches