Proteste und Kampagnen

Auch wenn bis in die 70er Jahre Kinder- und Jugendliche verdingt und in Heimen oder Erziehungs­anstalten platziert wurden, gab es schon früh immer wieder Wellen von Protesten gegen die schlimmsten Formen der schweizerischen Heim­erziehung.

In der Zeitschrift «Die Nation» protestierte Peter Surava in zwei Artikeln bereits 1944 gegen die Zustände in der Erziehungsanstalt der Schweizerischen Gemein­nützigen Gesellschaft für katholische Knaben Sonnen­berg in Kriens im Kanton Luzern.

Die Heimkampagne von 1970 bis 1972

Die Bewegung dieses Namens war 1969 in Deutschland entstanden und erreichte dort wichtige Reformen im Heimwesen. Sie solidarisierte sich mit den Anliegen der damaligen Heiminsassen und brachte diese mit spektakulären Aktionen im Stil der 1968er Revolte in die Medien. Später rekrutierte die Rote Armee Fraktion (RAF) um Ulrike Meinhof und Andreas Baader aus dem linksradikalen Flügel dieser Bewegung einige Mitglieder.

Auch in der Schweiz war die Heimkampagne der Jahre 1970-1972 durch ihre strikt anti­kapitalistische Rhetorik geprägt. Sie nahm ebenfalls die konkreten Anliegen der damaligen Bewohner:innen von Erziehungs­heimen auf und solidarisierte sich mit ihnen. Zeitweise war auch die Rocker­szene an den publikumswirksamen Aktionen beteiligt.

Am spektakulärsten war die mehrwöchige Massenflucht von rund zwanzig Heim­zöglingen. Die Staatsgewalt ging polizeilich und juristisch gegen die Heim­kampagne vor. Die Fachleute sind sich im Nachhinein jedoch einig, dass die Heim­kampagne, die an einer Tagung im Duttweiler-Institut in Rüschlikon auch das Gespräch mit den entsprechenden Berufs­leuten pflegte, wichtige Änderungen in der Heimerziehung in Richtung Einhaltung der Menschenrechte und Respektierung der Menschenwürde auslöste.