Interview mit Erna Amsler-Soom (*1938) und Brigitte Soom (*1946) vom 28. März 2013.
Die Arbeiterfamilie Soom wohnte an der Gasometerstrasse in Zürich. Ein älterer Bruder wurde wegen eines Bagatelldiebstahls in ein Erziehungsheim gesteckt. Später wurde ihm weitere administrative Versorgung angedroht, so dass er in die Fremdenlegion ging. Die beiden interviewten Schwestern wurden nach dem Tod der Eltern von den Zürcher Vormundschaftsbehörden direkt, aber ohne dass irgendwelche Delikte oder Vergehen vorgelegen hätten, in geschlossene Schwererziehbarenanstalten für Mädchen verbracht, Erna als administrativ Versorgte ins Loryheim Münsingen BE, für zweieinviertel Jahre. Erna hatte ihre Schulpflicht absolviert und musste dort Zwangsarbeit verrrichten, ohne Lohn. Anschliessend wurde ihr die gewünschte Lehre als Coiffeuse verweigert; sie arbeitete in der Folge zunächst als Haushaltshilfe, später als Putzfrau.
Brigitte kam, getrennt von der Schwester, ins Mädchenerziehungsheim Kehrsatz BE. Die harte Arbeit im Landwirtschaftsbetrieb des Heims hatte Vorrang vor der internen Schulbildung. Während sich der Heimleiter zu seinen bevorzugten Schutzempfohlenen ins Bett legte und die Mädchen küsste, traktierte er die Widerspenstigen mit Schlägen. Brigitte konnte, entgegen den Vorstellungen der Vormundschaft, eine Bürolehre machen. Die beiden Schwestern haben 2011 ihre Akten eingefordert und sind erschüttert über den herabsetzenden Ton. Ihre Familie wurde von der Amtsvormundschaft Zürich als «ordinäres Pack» bezeichnet. Als Geste der Wiedergutmachung erhielt Erna Amsler von der Stadt Zürich ein Entspannungsbett. Stolz sind die Schwestern darauf, dass sie die beiden jüngsten Geschwistern vor Fremdplatzierungen durch die Behörden schützen konnten.